Netzwerk CHANCE +: Erfolgreiche Unterstützung von Flüchtlingen und Bleibeberechtigten bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle oder einem Arbeitsplatz

Datum
20.10.2016

Das Projekt CHANCE + wurde vom Jobcenter Köln und sechs weiteren Trägern - zur Unterstützung von Flüchtlingen und Asylbewerberinnen und Asylbewerbern mit Zugang zum Arbeitsmarkt - eingerichtet. Gefördert wird es im Rahmen der ESF-Integrationsrichtlinie Bund, Handlungsschwerpunkt Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen (IvAF).

Zwei Geschichten zeigen, wie das Projekt CHANCE + Menschen durch umfassende und persönliche Förderung unterstützt, damit sie möglichst einer dauerhaften Arbeit nachgehen können, finanziell unabhängig werden und ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten. Die eine Geschichte handelt von Marika Abashidze, die 2014 aus Georgien nach Haan im Kreis Mettmann kam; die andere Geschichte von Mohammed A., einem in Syrien geborenen Palästinenser, der Anfang 2013 seine Wahlheimat, die Vereinigten Arabischen Emirate, verließ und über mehrere Stationen schließlich in Köln landete.

Alltagsbegleiter: Erster Schritt in Arbeit

https://taeglich.me/haan/alltagsbegleiter-erster-schritt-in-arbeit/

Die Neu-Haanerin Marika Abashidze ist eine von den Personen, die Caritas und Katholisches Bildungswerk im Kreis Mettmann mit zehn weiteren geflüchteten Menschen zu Alltagsbegleitern in der Pflege qualifiziert haben.

Bericht 1
©  Florian Schmitz/Taeglich.ME

Marika Abashidze lacht. "Ich bin keine Hausfrau. Ich möchte arbeiten. Zwei Jahre zu warten, bis man arbeiten kann, ist eine schwierige Zeit. Deshalb war der Kurs für mich wie ein Geschenk Gottes", sagt die 38-Jährige. Die Mutter von zwei kleinen Kindern ist 2014 aus Georgien nach Haan gekommen. Als eine von elf Teilnehmenden aus dem Kreis Mettmann hat sie sich nun als Alltagsbegleiterin in der Pflege qualifiziert. Das Projekt von Caritas und Katholischem Bildungswerk soll helfen, geflüchtete Menschen in Arbeit zu bringen.

"Pflege sucht händeringend Personal"

"Im Bereich der Pflege fehlen dringend benötigte Arbeitskräfte - eine Win-win-Situation für alle: Für geflüchtete Menschen, die es oft schwer haben, auf dem Arbeitsmarkt neben deutschen oder europäischen Mitbewerbern zu bestehen. Ebenso für die Pflege-Branche, die händeringend geeignetes Personal sucht", sagt Projektmitarbeiter Daniel Gehrmann. Alltagsbegleiter helfen Senioren dabei, besser zurecht zu kommen. Sie helfen bei der Tagesgestaltung, sprechen mit den Menschen, geben Hilfestellung bei der Körperpflege. Aber sie lernen auch, per Erster Hilfe einzuschreiten, falls es eine lebensbedrohliche Situation gibt. Eine anspruchsvolle, vielfältige Tätigkeit zu der parallel auch noch die Deutschkurse kommen.

Denn in einzelnen Kurseinheiten feilen die Alltagsbegleiter weiterhin an ihren Deutschkenntnissen von montags bis donnerstags in mehr als 180 Unterrichtsstunden. Hinzu kam ein Praktikum über zehnmal acht Stunden in stationären oder ambulanten Pflegediensten. Ziel ist es, dass möglichst viele Alltagsbegleiter mit ihrem Zertifikat eine Stelle antreten können und der Pflege erhalten bleiben. "Der Kurs ist ein niedrigschwelliger Einstieg in den Arbeitsmarkt, um danach eine Ausbildung in der Alten- oder Gesundheitspflege machen zu können", sagt Martin Sahler, Leiter des Fachdienstes für Integration und Migration der Caritas. Das ist nicht immer leicht, denn als Flüchtling kann man nur mit einer Aufenthaltsgenehmigung ohne Erlaubnis arbeiten. Hat man keine Aufenthaltsgenehmigung, braucht man die Erlaubnis der Ausländerbehörde. Neu ist seit einer Änderung des Integrationsgesetzes Ende Mai 2016, dass Zuwanderer mit Ausbildungsplatz nicht abgeschoben werden können.

Nach dem Praktikum kam das Angebot

Mit ihrem Zertifikat zur Alltagsbegleiterin in der Tasche hofft auch Marika Abashidze, eine feste Arbeit zu finden. Die Chancen stehen nicht schlecht. Sie hat ihr Praktikum im Haaner Seniorenheim Carpe Diem absolviert. Danach kam das Angebot, dort für mehrere Stunden am Tag in der Pflege anzufangen. Nun hat Marika Abashidze bei der Ausländerbehörde eine Arbeitserlaubnis beantragt. Sie ist eine von zwei Teilnehmenden aus dem Kurs, die direkt eine Stelle angeboten bekommen haben.

Außer, dass sie "unheimlich gern anderen Menschen hilft", hat sie noch einen anderen Antrieb. "Seit ich hier bin, haben mir viele ältere Ehrenamtliche geholfen. Ich möchte den Senioren jetzt etwas zurückgeben", sagt sie. In Georgien hat sie Geographie studiert und elf Jahre lang als Lehrerin gearbeitet. Aber mit Kindern oder älteren Menschen zu arbeiten sei sich manchmal gar nicht so unähnlich, sagt sie lächelnd. Auch Senioren wollten viel unterhalten werden, spazieren gehen oder Spiele spielen.

In Deutschland habe ich eine zweite Chance erhalten

Geschichte in der Mitarbeiterzeitung (MAZ) des Jobcenters Köln

Der Palästinenser Mohammed A. hat mit seiner Familie in Deutschland eine neue Heimat gefunden.

Bericht 2
©  JC Köln

Die Lage schien ausweglos. Zusammen mit seiner Frau und der sechs Monate alten Tochter verließ Mohammed A. Anfang 2013 seine Wahlheimat, die Vereinigten Arabischen Emirate, um nicht ins Bürgerkriegsgebiet nach Syrien abgeschoben zu werden. "Wir wollen ein Leben in Sicherheit führen, geschützt unsere Kinder großziehen und in Ruhe arbeiten. Wir wussten, dass dies in einem der arabischen Länder zukünftig nicht möglich sein wird", sagt er.

Der Grund: Mohammed A. ist Palästinenser. Obwohl in Syrien geboren und aufgewachsen, gilt er als Flüchtling - ohne Staatsangehörigkeit, ohne Ausweis. Die meisten arabischen Länder weigern sich, Menschen wie ihn und auch deren Kinder aufzunehmen, wie im Fall seiner Tochter. Trotz jordanischer Herkunft der Mutter wurde ihr von den Behörden der Arabischen Emirate die Staatsangehörigkeit verwehrt. "Damit war klar, dass sie im Notfall noch nicht einmal mit meiner Frau zu den Großeltern reisen könnte. Schweren Herzens entschieden wir uns, das Land und den Kontinent zu verlassen."

Nach einer kurzen Zwischenstation in Schweden kam der studierte Wirtschaftsinformatiker mit seiner Familie über Hamburg nach Köln. Hier wurde kurze Zeit später das zweite Kind geboren. Problemlos konnten die Eltern die jordanische Staatsangehörigkeit für den Sohn beantragen. "Natürlich kam es zu Beginn immer wieder zu Verständigungsproblemen und Missverständnissen bei den Behörden. In unserer Heimat gibt es kein Ausländeramt, kein Jobcenter, das kannten wir alles gar nicht. Aber meist sind wir auf sehr geduldige und verständnisvolle Menschen getroffen, die uns geholfen haben", sagt Mohammed A.

Als eine der wichtigsten Personen, die ihn auf dem Weg in sein neues Leben in Deutschland begleitet haben, nennt er Andrea Haas vom Projekt CHANCE+, das sich im Rahmen der ESF-Integrationsrichtlinie um Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Flüchtlinge kümmert. "Ich habe ihr sehr viel zu verdanken. Sie hat sich von Beginn an viel Zeit für mich genommen, sich für meine Geschichte interessiert und gefragt, wie es uns geht und welche Probleme wir haben", sagt Mohammed A. "Was ich ihr sehr hoch anrechne ist, dass sie erst einmal Englisch mit mir gesprochen hat. Solange mein Asylantrag noch lief, konnte ich ja noch keinen Integrationskurs belegen."

Bereits seit 2008 unterstützt das Netzwerk Menschen wie Mohammed A. in Köln, Bonn, Düsseldorf und seit 2015 im Kreis Mettmann dabei, eine Ausbildung zu machen oder auf dem Arbeitsmarkt eine dauerhafte Beschäftigung zu finden. "Aber es geht um weitaus mehr", erläutert Andrea Haas, die im Jobcenter Köln für das Teilprojekt II des Netzwerks CHANCE + verantwortlich ist. Die Integration von Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund in den Arbeitsmarkt beinhalte Hilfestellung bei Ämtergängen und die Vermittlung von Integrations- beziehungsweise Sprachkursen. Auch die Anerkennung von Bildungsabschlüssen zähle dazu.

Nach einem Jahr in einem Flüchtlingsheim leben Mohammed A. und seine Familie nun in einer eigenen Wohnung. Inzwischen hat er erfolgreich den Integrationskurs Deutscher Sprache (B1+) sowie ein einmonatiges berufsbezogenes Praktikum absolviert. "Ohne die Unterstützung des Netzwerks hätte alles sicher viel länger gedauert." Hier habe er alle notwendigen Informationen aus einer Hand erhalten. "So konnte ich alle Schritte koordinieren und musste nicht - wie in den ersten Monaten - doppelte Gänge machen, weil ich die falschen Papiere dabei hatte oder schlichtweg nicht an der richtigen Stelle war. Andrea Haas vom Netzwerk CHANCE + gab mir viele Tipps und hat mich immer unterstützt, wenn ich eine Frage hatte."

Zurzeit wartet der Familienvater auf die Zusage für eine Praktikumsstelle im IT-Bereich bei der Stadt Köln. Parallel wird er am Bewerbertag der JobOffensive Köln, einem Projekt zur Vermittlung motivierter, arbeitsmarktnaher Kundeninnen und Kunden des Jobcenter Köln teilnehmen. "Am liebsten würde ich eher heute als morgen wieder anfangen zu arbeiten", sagt der 31-Jährige, der während seiner Zeit auf der arabischen Halbinsel mehrere Jahre lang als Analyst und Support Ingenieur gearbeitet hat. "Ich bin glücklich darüber, hier endlich eine zweite Chance erhalten zu haben. Kein Land wollte sie uns geben. Hier haben wir nun Hoffnung auf Arbeit und ein Leben in Ruhe."

Seit Juli 2015 koordiniert das Jobcenter Köln das Netzwerk "CHANCE+ Netzwerk Flüchtlinge und Arbeit Köln, Bonn, Düsseldorf, Kreis Mettmann" im Rahmen der ESF Integrationsrichtlinie Bund - Handlungsschwerpunkt "Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen (IvAF)". CHANCE+ ist ein Projektverbund mit sieben Teilprojekten. Dazu zählen: das Jobcenter Köln, der Caritasverband für die Stadt Köln e.V., der Caritasverband Düsseldorf e.V., In VIA - Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit e.V., IB West gGmbH Arbeitsprojekt, der Kölner Flüchtlingsrat e.V. (für die Stadt Bonn) sowie der Caritasverband für den Kreis Mettmann e.V. Wichtige Kooperationspartner sind zudem die Agenturen für Arbeit, Jobcenter sowie Ausländerbehörden, Bildungsträger und Sprachschulen.