Der vierte Europäische Sozialfonds (1989-1993)
Das Engagement für wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt wird verstärkt und benachteiligte Regionen werden besonders unterstützt
Die Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte, die am 1. Juli 1987 in Kraft trat und den Binnenmarkt vervollständigte sowie ein neues Engagement für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt innerhalb der Gemeinschaft einschloss, bereitete den Boden für die grundlegende Reform der Strukturfonds, die von der Kommission als "Delors-Plan" 1988 vorgelegt wurde. Dieser Plan legte einen Rahmen fest, der - teilweise abgeändert im Jahr 1993 - die Basis darstellte, auf der das System auch heute noch arbeitet.
Der neue Ansatz der Fonds beruhte auf vier Grundsätzen:
- Konzentration,
- Programmplanung,
- Partnerschaft und
- Additionalität.
Zielsetzung des ESF
Der Grundsatz der Konzentration hatte die Aufstellung von fünf verschiedenen Zielen zur Folge:
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Ziel 1: Entwicklung der rückständigen Regionen
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Ziel 2: Regionen mit industriellem Abschwung
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Ziel 3: Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit
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Ziel 4: Beschäftigungswege für Jugendliche
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Ziel 5a: Anpassung landwirtschaftlicher Strukturen
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Ziel 5b: Entwicklung ländlicher Gebiete
Zwei dieser Ziele, die Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit (Ziel 3) und die Gewährleistung des Starts ins Arbeitsleben für Jugendliche (Ziel 4), galten europaweit und wurden ausschließlich aus dem ESF gefördert. Aus dem Sozialfonds unterstützt wurden ebenfalls die regionalen Ziele (1,2 und 5b), die für spezifische Regionen galten. Der ESF übernahm dabei die Entwicklung von Humanressourcen.
Der Grundsatz der Konzentration wurde ebenfalls in Form einer scharfen Fokussierung von Mitteln auf die rückständigen Regionen angewandt.
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Ziel 1: Die Anspruchsberechtigung war größtenteils auf Regionen mit einem BIP von etwa 75 Prozent des EU-Durchschnitts beschränkt und betraf 21,7 Prozent der Gemeinschaftsbevölkerung.
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Ziel 2: für Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit aufgrund von rückläufiger industrieller Entwicklung - sollte auf 15 Prozent der EU-Bevölkerung beschränkt werden.
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Die Ziel 5b-Gebiete mit ländlichen Entwicklungstendenzen machten nicht mehr als 5 Prozent der gesamten EU-Bevölkerung aus.
Programmplanung
Die Verwaltung jedes einzelnen Projekts wurde durch das System der Programmplanung ersetzt. Mittel aus dem ESF werden seitdem überwiegend im Rahmen von übergreifenden nationalen oder regionalen Programmen vergeben. Dadurch konnten die Anträge auf Unterstützung innerhalb der durch die Mittelausstattung gegebenen Grenzen gehalten werden.
Das Konzept der Partnerschaft, d.h. die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Kommission mit den Behörden in den Mitgliedstaaten, wurde in den Durchführungs- und Überwachungsphasen fortgesetzt: Dabei arbeitete die Kommission mit den nationalen, regionalen und örtlichen Behörden bei der Überprüfung und Verfolgung der von den verschiedenen Operationellen Programmen und Allgemeinen Fördermaßnahmen gemachten Fortschritte zusammen. An der Partnerschaft waren ebenfalls oft eine Reihe sozialer und wirtschaftlicher Akteure vor Ort beteiligt.
Das Additionalitäts-Prinzip schließlich verlangte, dass die Strukturfonds nicht als Ersatz für nationale Förderung eingesetzt werden sollten, sondern ihnen lediglich ein Ergänzungscharakter zukam.
Für die Förderperiode 1989 -1993 wurde das Budget der Strukturfondsmittel verdoppelt. Insgesamt standen für Fördermaßnahmen nunmehr 63,2 Milliarden ECU zur Verfügung, für den ESF 20 Milliarden ECU.
85 Prozent des ESF-Haushalts waren für die Gemeinschaftlichen Förderkonzepte vorgesehen, der Rest wurde für die Finanzierung von Gemeinschaftsinitiativen (siehe unten), innovative Maßnahmen und Studien in Bezug auf neue Ansätze bei der Berufsausbildung und den Beschäftigungspolitiken verwandt.
Die Gemeinschaftsinitiativen
Die Gemeinschaftsinitiativen für die Entwicklung von Humanressourcen wurden im Dezember 1990 verabschiedet:
- EUROFORM mit einem Budget von 300 Millionen ECU zielte darauf ab, neue Qualifikationen und Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Binnenmarkt zu entwickeln.
- NOW - mit 156 Millionen ECU ausgestattet - betraf die Förderung von Chancengleichheit für Frauen auf dem Arbeitsmarkt
- HORIZON - mit einem Budget von 304 Millionen ECU versehen - widmete sich der Verbesserung von Berufsaussichten für Menschen mit Behinderungen oder Menschen, die aus anderen Gründen vom Ausschluss von Beschäftigung bedroht waren.
Der ESF in den neuen Bundesländern
Im Zuge der deutschen Einheit 1990 hatte die EG-Kommission frühzeitig beschlossen, einen substanziellen Beitrag zur Entwicklung und Umstrukturierung der neuen Bundesländer zu leisten, um diese möglichst rasch und harmonisch in die Gemeinschaft einzugliedern.
Insgesamt erhielt Ostdeutschland bis zum Ende der Förderperiode 3 Milliarden ECU. Davon kamen rund die Hälfte aus dem Regionalfonds EFRE, 30 Prozent aus dem ESF und 20 Prozent aus dem Agrarfonds. Diese Fördergelder mussten von der Gemeinschaft zusätzlich bereitgestellt werden, da die Finanzmittel für die Förderperiode 1989-1993 bereits weitgehend verplant waren.
Im Bereich des ESF wurden die Mittel, die für den Bund vorgesehen waren, der Bundesanstalt für Arbeit zur Finanzierung von Maßnahmen zugewiesen, die nach dem Arbeitsförderungsgesetz nicht förderfähig gewesen wären. Die den neuen Ländern direkt zugewiesenen ESF-Mittel unterstützten eine speziell auf die Bedürfnisse im jeweiligen Land zugeschnittene Arbeitsmarktpolitik. Der ESF flankierte in allen Förderschwerpunkten die Tätigkeit der anderen Fonds unter anderem durch die Förderung von beruflichen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, die Gewährung von Existenz- und Einstellungsbeihilfen und die Schaffung von überbetrieblichen Ausbildungsplätzen. Die berufsstrukturelle Ausrichtung und die Zielgruppenorientierung der Maßnahmen (vor allem für Frauen, Jugendliche unter 25 Jahren, Behinderte, Langzeitarbeitslose und ältere Arbeitnehmer), die durch den ESF gefördert wurden, waren sehr vielfältig.
Die regionalpolitische Bedeutung des ESF lag in den neuen Bundesländern - neben der sozialen Abfederung des Transformationsprozesses - vor allem in
- der zielgerichteten Qualifizierung der Arbeitnehmer für die Bedürfnisse der ortsansässigen oder neu angesiedelten Unternehmen,
- der Überwindung des Nachholbedarfs an marktgerechten Qualifikationen,
- der Beseitigung von Engpässen hinsichtlich bestimmter Berufe (z.B. Pflegeberufe) auf den regionalen Arbeitsmärkten,
- der Umschulung für neue alternative Tätigkeiten, da die Umstrukturierung der Wirtschaft führte dazu, dass bestimmte Qualifikationen überhaupt nicht mehr oder nicht in der vorhandenen Anzahl benötigt wurden (z.B. in der Landwirtschaft).
Die Gemeinschaftsinitiativen spielten im Förderzeitraum 1989-1993 in den neuen Bundesländern nur eine untergeordnete Rolle, da die EG für die Gemeinschaftsinitiativen keine zusätzlichen Finanzmittel zur Verfügung stellte.