Erfahrungen zählen im ESF-Programm rückenwind+

Datum
02.07.2020

Die Ergebnisse der Abschlussbefragung der Projekte der ersten drei Förderrunden des ESF-Programms "rückenwind+" liegen vor. Sie zeigen: Das, was zählt, geht weit über reine Zahlenwerte hinaus. Die Akteur*innen der abgeschlossenen Projekte sind wichtige Wegbereiter*innen für einen Kulturwandel hin zu neuen und digital gestützten Arbeitsformen in der gemeinnützigen Sozialwirtschaft.

Erfahrungen in ESF-geförderten Projekten identifizieren, nutzen und verbinden - im ESF-Programm "rückenwind+" koordiniert die ESF-Regiestelle den Aufbau einer nachhaltigen verbandsübergreifenden Kooperationskultur. Der Anspruch der ESF-Regiestelle an die Ermittlung von Erfahrungswerten aus den "rückenwind+" - Projekten ist es, die wertvolle Expertise auch für andere sozialwirtschaftliche Träger nutzbar zu machen. Neben Fachworkshops und jährlichen Transfertagungen, dem kontinuierlichen persönlichen Kontakt mit den Projektträgern, der Pflege von Projektsteckbriefen mittels Online-Stellung von Projektmaterialien und Transferinstrumenten sowie der regelmäßigen Berichterstattung von Zwischenergebnissen auf der Programmwebsite und per Twitter führt die ESF-Regiestelle seit 2018 eine Online-Abschlussbefragung der Projekte durch.

Die Befragungsergebnisse der 76 abgeschlossen Projekte, die im 1. bis 3. "rückenwind+" - Aufruf gefördert wurden, liegen seit Kurzem vor. Bewertung und Einordnung vor allem der besonders wertvollen und per Freitext mitgeteilten Erfahrungswerte und Hinweise werden zurzeit in der ESF-Regiestelle bearbeitet. Sie werden bald in die Weiterentwicklung von Austausch- und Vernetzungsangeboten für die Projektträger sowie in die Weiterentwicklung des ESF-Programms einfließen.

Einige Ergebnisse der Abschlussbefragung der "rückenwind+" - Projekte lassen sich bereits quantitativ "in Zahlen" zusammenfassen und erste Ableitungen treffen: So ordneten die Befragten ihre Projekte vor allem den folgenden thematischen Schwerpunkten zu: 1) Führungskräfteentwicklung, 2) Entwicklung der Unternehmenskultur, 3) Lebensphasenorientierung, Vielfalt im Betrieb und Geschlechtergerechtigkeit sowie 4) Betriebliches Gesundheitsmanagement. Einige Projekte setzten explizit ihre Vorhaben zu den Themen "Innovationsförderung" und "Arbeit 4.0" um, weitere Projekte entwickelten digital basierte Formate bspw. mittels Lernplattformen. Auch entstanden Online-Plattformen, um die Rekrutierung von Personal zu unterstützen.

Themenübergreifend nannten die Befragten im Hinblick auf ihre zentralen Zielsetzungen am häufigsten die Entwicklung von Führungskräften, die Verbesserung der internen Zusammenarbeit, die Förderung von Nachwuchskräften sowie Potenzialträger*innen, die Verbesserung der Innovationsfähigkeit, die Senkung der Fluktuation von Mitarbeitenden und der Krankenstände, die Verbesserung des Wissensmanagements sowie die (Weiter-) Entwicklung von Strategien der Personalgewinnung. Weiterhin zeigt sich anhand der Befragung, dass die "rückenwind+" - Projekte hohe Relevanz haben. So war fast die Hälfte der Projekte direkt in der jeweiligen Geschäftsführung angesiedelt und es nahmen etwa zu gleichen Teilen Führungskräfte und Beschäftigte an den Projektmaßnahmen teil.

Als erfolgreich genutzte Instrumente der Kommunikation benannten die Befragten vor allem die Einrichtung von Arbeitsgruppen und Netzwerken, die Entwicklung von Weiterbildungskonzepten, Beratungsmodellen, Multiplikator*innen und Mentor*innen-Programmen oder kollegialer Beratung, Nutzung von Webseiten und Intranetanwendungen.

Fast alle der praxiserfahrenen "rückenwind+" - Akteur*innen geben folgende Kernbotschaften an ihre Kolleg*innen in ähnlichen Projektvorhaben weiter: In Veränderungsprozessen hin zu lebensphasenorientierten, gesundheitsfördernden und generationenübergreifenden Arbeits- und Kommunikationsformen ist es zentral, die Beschäftigten mitzunehmen und die Planung sowie die Umsetzung gemeinsam mit den Unternehmensleitungen und Führungskräften anzugehen. Dazu werden partizipative Ansätze benötigt, in denen die Mitarbeitenden die Möglichkeit zur Mitbestimmung erhalten. Nur so wird ein hierarchie- und bereichsübergreifender Kulturwandel in Organisationen angestoßen, der nachhaltig Wirkung entfalten kann.

"Nicht-digitale" Erfahrungen für den Themenschwerpunkt "Arbeit 4.0 & Digitalisierung" nutzen

Wie wichtig die von den "rückenwind+" - Projekten des 1. bis 3. Förderaufrufs geleistete Arbeit im Bereich der Personal- und Organisationsentwicklung für die gemeinnützige Sozialwirtschaft ist, wird vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen aufgrund des COVID-19-Virus ganz besonders deutlich. Das bestätigen auch die Ergebnisse der Abschlussbefragung in den ersten drei Förderaufrufen. So sind "rückenwind+" - Projekte seit Beginn der aktuellen ESF-Förderperiode, die also noch nicht den Schwerpunkt im Bereich "Arbeit 4.0 & Digitalisierung" verfolgten, dadurch geprägt, dass sie zum Teil erstmals grundsätzliche Veränderungsprozesse in den Verbänden und Einrichtungen in Gang setzen.

Die "rückenwind+" - Projekte sind somit wesentliche Wegbereiter in sozialwirtschaftlichen Organisationen und sie sind vor allem erfolgreich durch die Menschen, die in diesen Projekten wirken. Denn die Entwicklung und Einführung von Neuerungen in den Arbeitsweisen und Entscheidungsprozessen verlangen den "anschiebenden" Akteur*innen viel Engagement und einen "langen Atem" ab. Sie leisten "Pionierarbeit" und das bedeutet: zunächst "unsichtbare", aber fühlbare - wenn nicht gar - schmerzhafte Vorarbeit. Sie identifizieren grundsätzliche Barrieren, bringen Bewegung in feste Strukturen, wirbeln an mancher Stelle Staub auf, öffnen Türen und ermöglichen Räume für abteilungs-, fach- und hierarchieübergreifende Zusammenarbeit, Kommunikation und Vernetzung - kurz: Sie ermöglichen "Strukturwandel". Dass dies einer der wichtigsten Erfolge ihrer Arbeit sei, betonen fast alle Teilnehmer*innen der Abschlussbefragung.

Mehrere Personen
Projektleiter*innen und -mitarbeiter*innen des 1. bis 3. Förderaufrufs im ESF-Programm rückenwind+ © BAGFW/Dirk Hasskarl und Jens Jeske

Gleichzeitig bieten die Erfahrungen einen fruchtbaren Boden für Veränderungsanforderungen, vor denen viele Projektträger aktuell im Zuge der Corona-Pandemie eher unfreiwillig stehen: Denn um trotz Einschränkungen die Projektarbeit fortsetzen zu können, überführen derzeit Projektträger einige ihrer ursprünglich in Präsenzformaten geplanten Maßnahmen in virtuelle Angebote - selbst wenn sie ihr Projekt gar nicht im Förderschwerpunkt "Arbeit 4.0 & Digitalisierung" verortet hatten.

Deutlich wird dabei, dass für einen erfolgreichen "Switch" nicht allein zählt, was technisch möglich und machbar ist, sondern nach wie vor hat der Nutzen für die Zielgruppe der ESF-geförderten Maßnahmen - die Beschäftigten in sozialen Berufsfeldern - höchste Priorität. Es wird daher im Zuge der Einführung digitaler Angebote trotz gebotener zeitlicher Dringlichkeit besonderes Augenmerk auf die individuellen Bedarfe, Lernzugänge und zeitlich-örtlichen Freiräume der Teilnehmer*innen gelegt.

Kompetenz wirkt über die Projektlaufzeit hinaus

Ein großer Teil der Projektleiter*innen und -mitarbeiter*innen sowie der Verwaltungsmitarbeiter*innen der abgeschlossenen "rückenwind+" - Projekte bleibt der gemeinnützigen Sozialwirtschaft weiterhin erhalten. Sie sind bei den Trägern etwa in der Personalentwicklung, im Betrieblichen Gesundheitsmanagement, in trägereigenen Bildungsakademien, in Digitalisierungs- und Innovationsabteilungen sowie in anschließenden "rückenwind+" - Projekten tätig. Besonders erfreulich ist es, dass aufgrund der ESF-Förderung z.T. Projektstellen verstetigt und neue Stellen geschaffen werden konnten. Auch wurden vereinzelt im Projekt aufgebaute Abteilungen fest im Unternehmen verankert.

Die aktuellen Einschränkungen können ein Anlass sein, um die Entwicklung von neuen und digital gestützten Arbeitsformen voranzubringen. Diese werden den direkten Austausch in Präsenzveranstaltungen keinesfalls ersetzen, aber ihn sicherlich an sinnvoller Stelle stützen können. Die "rückenwind+" - Projekte haben bereits erste Angebote entwickelt und erprobt. Auch die ESF-Regiestelle setzt zunehmend virtuelle Formate zur Begleitung des Fachaustauschs und der Vernetzung der Projektträger auf. Hierzu berichteten wir bereits im ESF-Newsletter April 2020. Die vielfältigen Ansätze zur Überführung von Präsenz- in Digitalformate in den "rückenwind+" - Projekten werden daher sicherlich Thema in einem der nächsten ESF-Newsletter sein.

Das ESF-Programm "rückenwind - Für die Beschäftigten und Unternehmen in der Sozialwirtschaft" (kurz: "rückenwind+") ist ein im Jahr 2015 gestartetes Förderprogramm zur Fachkräftesicherung in sozialen Berufsfeldern. Ansatzpunkt ist die Personal- und Organisationsentwicklung in Unternehmen und Verbänden der gemeinnützigen Sozialwirtschaft. Ziel der Förderung ist die Verbesserung der Anpassungs- und Beschäftigungsfähigkeit der Beschäftigten in der Sozialwirtschaft in Verbindung mit einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Organisationsstrukturen in den Einrichtungen, Diensten und Verbänden. Das Förderprogramm wurde gemeinsam vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der BAGFW entwickelt. Gefördert wird es aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und aus Bundesmitteln.

Weitere Informationen zum Programm "rückenwind+" finden Sie auf der Website der Regiestelle sowie auf dem ESF-Webportal.

Kontakt: regiestelle@bag-wohlfahrt.de

Auszug aus dem ESF-Newsletter