Praxisnahe Berufsorientierung: Jugendliche entwickeln nachhaltige Lösungen für Fragen aus der Handwerkspraxis
- Datum
- 10.02.2020
Welche Ideen haben Jugendliche, um mehr Nachhaltigkeit in Handwerksberufe zu bringen? In den Feriencamps des ESF-geförderten Projekts "mach Grün! Zukunft in Deiner Hand" entwickelten sie anhand konkreter Aufgaben aus der Berufspraxis ihre eigenen Ideen und Lösungen und setzten sie mit Unterstützung von Handwerkerinnen und Handwerkern, Azubis und pädagogisch geschulten Profis praktisch um.
Dabei probierten sie sich in Neuem aus und entdeckten mehr über ihre eigenen Interessen und Fähigkeiten - wichtige Aspekte für die ganz persönliche Berufsorientierung.
Nachhaltigkeit sollte heute in jedem Beruf mitgedacht werden. Dafür sind besondere Kenntnisse und Fähigkeiten gefordert. Gleichzeitig entstehen aktuell neue Tätigkeits- und Geschäftsfelder. Das Projekt "mach Grün! Zukunft in Deiner Hand" bietet jungen Menschen Erlebnisräume, dieses "Greening der Berufe" mit dem Fokus auf Handwerksberufe zu erkunden. Kernstück sind 18 mehrtägige Ferien-Camps in Baden-Württemberg, Berlin und Nordrhein-Westfalen. Gemeinsam mit Freundinnen und Freunden und anderen jungen Menschen im Alter von 14 bis 18 Jahren widmen sich Jugendliche in Werkstätten und Workshops neuen Technologien oder lang bewährten Techniken und Materialien. Es stehen Themen wie nachhaltige Mobilität, Bekleidung, Hausbau oder Eventmanagement auf dem Programm.
Nachhaltige Mobilität in deiner grünen Zukunft
Im Berliner Herbstcamp beschäftigten sich die insgesamt 26 Jugendliche mit Nachhaltigkeit im Handwerk und Digitalisierung mit dem Fokus auf nachhaltige Mobilität. Dabei nahmen sie auch ihre eigenen Berufswünsche neu in den Blick. In drei Werkstätten entwickelten sie Lösungen zum Thema "Wie wollen wir in Zukunft nachhaltig mobil sein?" Dafür wurden sie in einer Holz-, einer 3D- Druck- und in einer Digitalwerkstatt zu "Handwerker*innen auf Probe" in einer grünen Arbeitswelt. Unterstützt von Profis erstellten sie dort in verschiedenen Teams nachhaltige Produkte und Dienstleistungen, die unsere Mobilität klimafreundlicher machen.
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg fragte nach mobilen Straßenelementen für die Verkehrswende, sogenannte Parklets also Stadtmöbel auf ehemaligen Parkplatzflächen, damit den Menschen mittels Aufbauten mehr öffentlichen Raum zur Verfügung steht. So wurde dann in der Holzwerkstatt gehämmert, geschraubt und gesägt. Entstanden ist ein mobiles Parklet aus Palettenmöbeln inklusive Sandkasten, Spielzeugtisch, Sitzgelegenheiten, Tauschregal und Blumenkästen als Antwort auf die Fragestellung des Bezirksamtes.

In der Digitalwerkstatt entwickelten die Jugendlichen ein interaktives Spiel, das verdeutlicht, wie die Bäckerei Domberger aus Berlin ihre Wege noch umwelt- und klimafreundlicher planen kann. Das Team der 3D-Druckwerkstatt entwickelte drei Prototypen, um das Fahrradfahren attraktiver zu gestalten: eine regensichere Fahrradpedale, einen Kindersitz-Poncho, der Kinder auf dem Elternfahrrad vor Regen schützt, und eine Allwetter-Handyhalterung für den Fahrradlenker.
Tägliche Inputs am Morgen zu nachhaltiger Mobilität lieferten wichtige Impulse für die Prototypentwicklung und beleuchteten das jeweilige Thema auf kreative und spielerische Weise, wie das Mobilitätsquiz eindrucksvoll verdeutlichte.

Im Rahmen von sogenannten Erkundungen trafen die Jugendlichen Beschäftigte aus unterschiedlichen Branchen, erfuhren mehr über das Tätigkeitsspektrum verschiedener Berufe und lernten neue Aspekte nachhaltiger Mobilität kennen. Bei der BVG erhielten sie einen Einblick in die Ausbildungsberufe des Unternehmens. Beim Besuch der Schneider Electric GmbH auf dem EUREF-Campus erfuhren sie, welche Ladetechniken es für Autos aktuell gibt und wie unterschiedliche Konsumszenarien unseren Strombedarf beeinflussen. Insgesamt war es eine sehr produktive Woche, in der die Teilnehmenden viele Eindrücke zur nachhaltigen Mobilität sammelten und spielerisch Arbeitswelt und Alltag der Zukunft reflektierten.
Green Building For Future
Für das Gemeinschaftsgartenprojekt "Essbares Lindlar" im Oberbergischen Kreis bauten die nordrhein-westfälischen "mach Grün!"-Workcamper in den Herbstferien neue Hingucker aus altem Bauholz oder aus Bruchsteinabfällen des nahegelegenen Steinbruchs. Dabei übten sie sich im Umgang mit elektrischen Sägen, Schleifern und Schraubern und ließen ihrer Kreativität freien Lauf: am Ende bereicherten sehenswerte Kompostumrandungen, Arbeitstische, Ruhebänke und eine Händewaschanlage den Garten.

Dass gebrauchtes Material oder Weggeworfenes seinen Wert hat, wurde auch beim Lagerfeuergespräch mit Mitarbeiter*innen des Fahrradreifenherstellers Bohle Schwalbe und beim Rundgang über die ehemalige Deponie und jetzigen Forschungsstandort der TH Köln bei Lindlar deutlich: Der Reifenhersteller setzt bei der Gummibeschaffung auf das "Cradle2Cradle"-Prinzip (Ansatz für eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft) und die Wissenschaftler von ":metabolon" arbeiten daran, vergiftetes Deponiewasser trinkbar zu machen und Biogas/Deponiegas aus Abfällen zu gewinnen.
Dass Ökologisches Bauen vor allem mit Holz gelingt, bewies die Exkursion zum Holzhaushersteller Fullwood in Lohmar, wo anschaulich die Veränderung der Handwerksberufe unter Nachhaltigkeitsaspekten demonstriert wurde. Wer Lust auf mehr Handwerk bekommen hatte, konnte beim Lagerfeuergespräch Fachleute wie die Tischlermeisterin Angela Weiche interviewen. Ihr Handwerk ist vor allem deshalb so wichtig, weil man aus nachhaltig produziertem Holz fast alles herstellen kann, was man zum Wohnen braucht.

Die Unterbringung in der Museumsherberge des LVR-Freilichtmuseums inspirierte die 19 Jugendlichen auf vielfältige Weise, sei es bei der Rallye durch die vielen Fachwerkbauten oder beim kunsthandwerklichen Umgang mit natürlichen Stoffen im Museumsmodul "Natürlich aus Leder - Museum macht Mode". Alles in allem genug "Material" für eine mediengestützte Dokumentation in Bild und Film, die die Jugendlichen selbst in Angriff nahmen, nachdem die Azubis einer Medienagentur das nötige Knowhow vermittelt hatten.
Der Jugend-Beirat
Das Projekt wird von einem Jugendbeirat begleitet. Die 15 hochmotivierten Jugendlichen sind interessiert an den Themen Umwelt und Bildung und wollen sich aktiv einbringen und mitentscheiden. Im Dezember 2019 fand bereits ein erstes Kennenlerntreffen statt. Der Beirat möchte bei Problemen und Fragestellungen den Begriff "Grüne Berufsorientierung" weiterentwickeln und andere Jugendliche für Nachhaltigkeit in der Berufs- und Arbeitswelt begeistern. Die Jugendlichen werden ebenso eine zentrale Rolle beim Jugendgipfel spielen und diesen auch mitgestalten.
Das Projekt " mach Grün! Zukunft in Deiner Hand " wird im Rahmen des Programms "Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung befördern. Über grüne Schlüsselkompetenzen zu klima- und ressourcenschonendem Handeln im Beruf (BBNE)" durch den Europäischen Sozialfonds und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert.
Wer im beruflichen Alltag im Sinne nachhaltiger Entwicklung handeln möchte, braucht entsprechende Kompetenzen, Fertigkeiten und Wissen. Für dieses "Greening" der Berufe beziehungsweise der Arbeitswelt sensibilisiert das Programm "BBNE". Fördergelder werden für Projekte bereitgestellt, die über drei verschiedene Formate (Workcamps, Ausstellungen und Schulungsmodule) es ermöglichen, in verschiedene Berufe hinein zu schnuppern und zeigen, wie nachhaltiges Handeln im beruflichen Alltag möglich ist.
Weitere Informationen zum Förderprogramm "BBNE" finden Sie auf dem ESF-Portal.