Corona-Spezial: Aktivitäten der ESF-Standorte "Perspektive Wiedereinstieg" in Zeiten der Pandemie
- Datum
- 31.08.2021
Beruflicher Wiedereinstieg im "Online-Format", von Null auf Hundert auf digitale Formate umsteigen, im Homeoffice arbeiten bzw. lernen, Bewerbungsverfahren online zu meistern: Durch die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung für Projektträger und Teilnehmende an den ESF-Standorten "Perspektive Wiedereinstieg - Potenziale erschließen" (kurz "PWE") einen enormen Schub erhalten. Wie der Wiedereinstieg auch "online" gelingt, berichten die Wiedereinstiegsberaterinnen Monika Wegat und Bettina Meier sowie Teilnehmende vom ESF-Standort München im Interview mit den Programmumsetzer*innen von "PWE".
Der Projektträger power_m für den ESF-Standort München ist ein Verbund aus sechs spezialisierten Beratungs- und Weiterbildungseinrichtungen sowie dem Referat für Arbeit und Wirtschaft als Teil der Stadtverwaltung Münchens.
perspektive-wiedereinstieg.de: Die Pandemie beherrscht unseren Alltag mittlerweile seit einigen Monaten, wie hat sich Ihr Alltag in der Begleitung von Wiedereinsteigenden verändert?
Monika Wegat: Unser Arbeitsalltag hat sich während der Corona-Pandemie stark verändert. Wir mussten die gesamten Angebote für das Beratungs- und Unterstützungsmanagement neu konzipieren. Auch für unsere Teilnehmenden veränderte sich natürlich einiges: Homeoffice, Homeschooling, fehlende bzw. schwer planbare Kinderbetreuung, Quarantänemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen. Jetzt war es von entscheidender Bedeutung, sich auf digitale Kommunikationsprozesse einzulassen. Von der Teambesprechung über das Beratungs- und Coaching-Angebot bis hin zu Seminaren, alles fand komplett online statt. Ein Update der diesbezüglichen Kompetenzen war für alle Beteiligten wichtiger denn je. Das Stichwort "lebenslanges Lernen" bekam im wahrsten Sinne des Wortes von heute auf morgen eine neue Bedeutung. Doch der Digitalisierungsprozess hat durch diese Situation auch einen enormen Schub bekommen. Die Selbstverständlichkeit beim Nutzen digitaler Medien ist stark gestiegen. Auch bei den administrativen und organisatorischen Abläufen im Unterstützungsmanagement waren wir gefragt, neue Routinen zu entwickeln. Die zeitliche Verfügbarkeit der Teilnehmenden variierte aus o.g. Gründen stark. Für den power_m-Verbund bedeutete dies, auch Nachmittags- und Abendangebote vorzuhalten, um den Wiedereinsteigenden die Teilnahme an Seminaren zu ermöglichen. Trotz unserer großen Flexibilität im Beratungsprozess mussten wir allerdings zahlreiche kurzfristige Absagen wegen fehlender Kinderbetreuung verzeichnen.
Die Corona-Zeit hat erhebliche Herausforderungen für uns alle mit sich gebracht, aber es gab auch Chancen. Wir möchten in diesem Interview auch einige Statements unserer Teilnehmenden vorstellen. Sie zeigen, dass sich der berufliche Wiedereinstieg zu jeder Zeit - auch unter erschwerten Bedingungen - lohnt:
Nach sechs Monaten Weiterbildung im Projekt-Management mit Prince2 und Scrum und im Anschluss im Business Development habe ich eine Anstellung gefunden. 40 Stunden, nicht easy von Null auf 40, aber macht viel Spaß...
An meiner Weiterbildung im UX Design konnte ich bis zur Hälfte teilnehmen, dann hat sich überraschend eine Chance aufgetan und ich bin überzeugt, dass das der beste Weg für mich zum Quereinstieg ist. Und ich bin tatsächlich im Bereich Softwareentwicklung im agilen Projektmanagement tätig und arbeite mit Scrum. Danke für Ihre Unterstützung und Ihre Anregungen.

perspektive-wiedereinstieg.de: Wie erleben Sie den Zulauf zu Ihrem Projekt? Steht der Wiedereinstieg an Ihrem Standort aktuell im Fokus oder erschwert die Corona-Pandemie den Frauen den Weg zurück in den Beruf?
Bettina Meier: Das Thema Wiedereinstieg steht am Standort München weiterhin im Fokus. Es kommen stetig Interessierte mit konkreten Wiedereinstiegsabsichten und -plänen zu uns. Jedoch kommen im monatlichen Durchschnitt weniger als vor der Pandemie. Besonders Frauen mit Wiedereinstiegsabsichten nehmen zwar Kontakt zu uns auf, entscheiden sich dann aber gegen eine zeitnahe Teilnahme. Sie berichten von massiver Belastung, z. B. durch Homeschooling (teilweise sechs Monate am Stück keine Schule/Kinderbetreuung), fehlender Zeit und Energie für die Umsetzung eigener Ziele. Viele verschieben das Thema "Wiedereinstieg" bewusst zeitlich nach hinten, um es dann mit mehr Kraft und Energie anzugehen.
Wir bemerken, dass selbst unsere sehr fokussierten und motivierten Teilnehmenden sich durch die aktuellen Gegebenheiten eingeschränkt und ausgebremst fühlen: Derzeit dauert eben alles etwas länger. Auch die in manchen Branchen sehr schwierige Lage am Arbeitsmarkt und die derzeitigen Arbeitsbedingungen in den Unternehmen (Homeoffice, wenige Ansprechpartner*innen vor Ort) lassen so manche Frau zögern, den Wiedereinstieg umzusetzen. Die Vorstellung, keine Vor-Ort Einarbeitung zu haben, das neue Arbeitsumfeld sowie das neue Team nicht vollständig im Miteinander erleben zu können, wird eher als abschreckend empfunden und führt mitunter dazu, dass der Wiedereinstieg verschoben wird.
Zulauf erhalten wir derzeit häufig von Frauen, die durch die Corona-Pandemie von Kurzarbeit betroffen sind (Reiseverkehrskauffrauen, Verkäuferinnen, Eventmanagerinnen etc.). Sie stehen teilweise unter großem Druck und möchten sich umorientieren, um auch in Zukunft finanziell unabhängig zu sein.
Ich hatte großes Glück und begann, als Ökonomin bei der britischen Regierung zu arbeiten. Mit den Änderungen aufgrund von Corona wurde mir erlaubt, von München aus zu arbeiten, aber mit meinem Team in London. Ich bin im Februar angefangen und liebe es! Vielen Dank für Ihre Unterstützung. Es war so wertvoll, über meine Fähigkeiten und Träume nachzudenken, meinen Lebenslauf zu schreiben. Ich hoffe die anderen Damen haben auch Traumjobs gefunden!
perspektive-wiedereinstieg.de: Welche Kompetenzen konnten Sie zu dieser Zeit bei den Wiedereinsteigenden besonders stärken und wo sehen Sie Unterstützungsbedarf, den es vorher vielleicht nicht gab?
Monika Wegat: Stärken konnten wir vor allem die Kompetenzen, die notwendig sind, um sich im digitalen Bewerbungsverfahren zu behaupten. Diese Verfahren sind für unsere Teilnehmenden inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Ein weiteres wichtiges Thema, welches wir gemeinsam erarbeitet haben, ist das Arbeiten im Homeoffice. Entscheidende Faktoren sind hier, die neuen Kommunikationswege zu beherrschen und zu nutzen. Selbstständig und organisiert zu agieren, da es wenig Rückfragemöglichkeiten außerhalb der offiziellen Kommunikationswege gibt.
Sehr zentral und stärkend sind auch folgende Fragestellungen, mit denen sich Wiedereinsteigende regelmäßig auseinandersetzen sollten: Was kann ich, was will ich und welche Möglichkeiten bietet mir der Arbeitsmarkt? Neben dieser Selbst- und Arbeitsmarktanalyse ist es wichtig (coronabedingt noch wichtiger), das eigene Selbstbewusstsein immer wieder zu stärken und den Mut zu haben, auch bei Rückschlägen, die im Wiedereinstiegsprozess auftauchen können, dranzubleiben.
...mir ist durchaus bewusst, dass ich das alles ohne Ihre Hilfe niemals geschafft hätte. Ohne power_m und Sie hätte ich es nie gewagt, mich überhaupt zu bewerben, da ich davon überzeugt war, nichts vorweisen zu können und viel zu alt zu sein. Wer würde mich schon nehmen wollen?!? Solche und andere Gedanken waren in meinem Kopf.
Ich wollte mich noch persönlich bei Ihnen für die tolle Beratung bedanken. Das Bewerbungs- und Vorstellungsgespräch-Training in Zusammenhang mit dem Kompetenzseminar haben mir wirklich geholfen, mehr Vertrauen in meine Qualifikationen zu haben, ein sicheres Gefühl mit meinen Unterlagen zu haben und bereit für den Einstieg zu sein. Das Vorstellungsgespräch nach unserem letzten Kurs ist sehr entspannt gelaufen und nach einem Monat in der neuen Arbeit sind meine ersten Erfahrungen sehr positiv. Die Kolleginnen und Kollegen sind sehr nett und die Arbeit macht Spaß. Ich bin glücklich, vom Programm erfahren und an den unterschiedlichen Seminaren teilgenommen zu haben. Die Organisation, Aufbau und Durchführung des Programms und Ihre persönliche Beratung fand ich hochprofessionell.
power_m hat mir sehr geholfen. Sehr hilfreich fand ich vor allem das Kompetenztraining, das Bewerbungs- sowie Vorstellungsgespräch-Training und das Thema Gehaltsverhandlung. Außerdem hat power_m mir dabei geholfen, selbstsicherer im Berufsleben zu werden und den Mut zu fassen, mich als Quereinsteigerin zu bewerben und am "Ball" zu bleiben.
Bei power_m hat es mir sehr geholfen, dass ich einen Raum bekommen habe, in dem ich nicht allein war und in dem alle meine Fragen geduldig beantwortet wurden. Etwas mehr Austausch mit anderen Teilnehmenden hätte mich sehr gefreut, aber dies ist bei den digitalen Online-Angeboten einfach nicht so möglich gewesen; dennoch bin ich mir jetzt 'meiner Selbst mehr bewusst' und freue mich auf meine nächsten Schritte!
perspektive-wiedereinstieg.de: Was nehmen Sie als Bildungsträger für die Zukunft Ihrer Begleitung von Wiedereinsteigenden dank der Corona-Pandemie mit?
Bettina Meier: Diese Antwort möchte ich in Form einer kleinen Aufzählung präsentieren. Wichtig sind nach meinem Empfinden:
- dass wir schnell "neu" arbeiten und die Teilnehmenden damit auf die "Neue Arbeitswelt" realitätsnah vorbereiten können,
- dass die Stellensuche und das Sichtbarkeit im Internet (Stichwort Social Media) von den Teilnehmenden als Bestandteil des Wiedereinstiegsprozesses wahrgenommen werden,
- dass es immer Chancen gibt,
- dass dezentrales Arbeiten auch in der Beratung und Arbeit mit Menschen sehr gut funktionieren kann und sich ergebnisorientiert und zielgerichtet gestaltet, wenn sich alle Beteiligten darauf einstellen,
- dass neue Formate nun ausgiebig erprobt sind und auch zukünftig feste Bestandteile im Arbeitsalltag und in der Arbeit mit Teilnehmenden bleiben werden,
- dass die Zeitersparnis durch wegfallende Anfahrtswege zum Beratungsraum/Seminarraum eine Teilnahme für viele Wiedereinstiegsinteressierte überhaupt erst möglich macht.
perspektive-wiedereinstieg.de: Sehr geehrte Frau Wegat, sehr geehrte Frau Meier, herzlichen Dank für die spannenden Informationen und viel Erfolg für Ihre weitere Arbeit!
Das ESF-Bundesprogramm "Perspektive Wiedereinstieg - Potenziale erschließen" (PWE)
Das Programm "Perspektive Wiedereinstieg - Potenziale erschließen" wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und den Europäischen Sozialfonds gefördert und in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit umgesetzt. Das Programm unterstützt bis zum Jahr 2021 Träger- und Trägerverbünde dabei, Frauen und Männern nach einer familienbedingten Erwerbsunterbrechung mit Aktivierungs-, Beratungs- und Qualifizierungsmaßnahmen die Rückkehr in das Berufsleben zu erleichtern. Bislang konnten 9.600 Teilnehmer*innen gefördert werden.
Weitere Informationen zum Programm finden Sie auf dem ESF-Webportal sowie auf der Website des Programms.