ProBot: Potenziale von kollaborierenden Robotern in KMU nutzen

Datum
19.10.2021

Neuartige, kollaborierende Roboter - sogenannte Cobots - ermöglichen eine direkte Zusammenarbeit mit dem Menschen und lassen sich mit geringem Aufwand an vielfältige Aufgaben anpassen. Arbeitsabläufe können damit effizienter organisiert werden. Zugleich können Cobots körperlich belastende oder monotone Tätigkeiten übernehmen. Damit steigt die Attraktivität der Arbeitsplätze. Bislang nutzen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) diese Potenziale wenig. Ziel des ESF-geförderten Forschungsprojekts " ProBot - Proaktive Diagnose und Gestaltung des Cobot-Einsatzes in kleinen und mittleren Unternehmen" ist es, KMU zu befähigen, Cobots effizient und ergonomisch in ihre Produktionsprozesse zu integrieren.

Kollaborierende Roboter (Cobots) als spezielle Form von Industrierobotern ermöglichen eine physisch nahe und synchrone Zusammenarbeit von Menschen und Robotern in einem gemeinsamen Arbeitsraum ohne trennende Schutzwände. Die noch recht neue Technologie gewinnt zunehmend an Bedeutung und verspricht durch eine gewinnbringende Kombination der Stärken von Menschen und Cobots sowohl wirtschaftliche als auch ergonomische Potenziale. Dennoch werden Cobots abseits eines wissenschaftlichen Kontexts im produzierenden Gewerbe bisher selten genutzt. Hinzu kommt: Bei den wenigen Cobot-Anwendungen in der Industrie handelt es sich meist um Anlagen, in denen Menschen und Cobots ohne unmittelbaren Kontakt zueinander arbeiten, sodass die Verwendung eher einem klassischen Industrieroboter entspricht. Darüber hinaus besteht ein Zusammenhang zwischen der Verbreitung von Cobots und der Größe eines Unternehmens - je größer ein Unternehmen ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass dort Roboter eingesetzt werden. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bleiben somit in Hinblick auf die Erschließung von Roboterpotenzialen zurück.

KMU fehlt es häufig an organisatorischen und personellen Kapazitäten sowie an prozessbegleitenden Planungs- und Entscheidungshilfen, um Einsatzszenarien für Cobots fundiert zu identifizieren, zu evaluieren und umzusetzen. Das Forschungsprojekt "ProBot" setzt an eben diesem Punkt an, indem es zum einen eine digitale und interaktive Einführungsunterstützung (den "KMU-Cobot-Coach") entwickelt und hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit evaluiert hat. Zum anderen wird durch die Entwicklung und Einführung verschiedener Cobot-Anwendungen in drei lokalen KMU Erfahrungswissen aufgebaut, sodass die Entwicklung des KMU-Cobot-Coaches immer wieder mit realen Anwendungsfällen abgeglichen und verbessert werden konnte.

Frau an einer Maschine
Beispiel einer Mensch-Roboter-Kollaboration © Markus Breig (KIT/CroM) für BMBF/KIT-ifab

Der KMU-Cobot-Coach: Eine strukturierte Planungs- & Entscheidungshilfe

Der KMU-Cobot-Coach umfasst eine Sammlung an strukturierten und didaktisch aufbereiteten Methoden, die KMU im Sinne der "Hilfe zur Selbsthilfe" bei der gezielten Bewertung und Erarbeitung individueller Cobot-Anwendungen durchgängig und systematisch unterstützen sollen. Neben Methoden zur Identifizierung und Bewertung geeigneter Anwendungsfälle bietet der KMU-Cobot-Coach so Unterstützung in den Bereichen Sicherheits- und Risikobewertung, Ergonomie, Qualifikation, Akzeptanz und Wirtschaftlichkeit. Die Anwendung wird voraussichtlich ab Januar 2022 unter https://www.projekt-probot.de kostenlos zugänglich sein. Bei der Konzeptionierung wurden neben der inhaltlichen Ausgestaltung zwei grundsätzliche Gestaltungsmerkmale verfolgt:

  1. Niederschwellige Nutzbarkeit: Die Nutzung soll auch für unerfahrene Personen ohne spezifisches Fachwissen ermöglicht werden, um ein möglichst großes Publikum anzusprechen und eine hohe Breitenwirkung zu erzielen.
  2. Integration der Methoden durch Prozessorientierung: Der KMU-Cobot-Coach integriert die Methoden in einen Gesamtprozess, sodass die unterschiedlichen Methoden in sinnvoller Reihenfolge und aufeinander aufbauend verwendet werden können. Damit geht die Umsetzung über Ansätze hinaus, bei denen die Methoden unstrukturiert als Einzellösungen in verschiedenen Formaten zur Verfügung gestellt werden.

Der Wissensaufbau im Themenfeld Mensch-Roboter-Interaktion stellt ein weiteres relevantes Ziel dar. Die einzelnen Methoden werden zu diesem Zweck um kontextbezogene Informationen ergänzt, sodass durch die Nutzung selbst ein Wissenszugewinn entsteht. Der Mehrwert der Verwendung besteht dadurch nicht ausschließlich in den ermittelten Ergebnissen der Methoden, sondern auch im Wissenszuwachs während der Verwendung. Auf diese Weise schärft der KMU-Cobot-Coach das Bewusstsein für die entscheidenden Aspekte, Chancen, Herausforderungen und Möglichkeiten bei einer Cobot-Einführung.

Reale Anwendungsfälle im Rahmen des Projekts

Die Entwicklung des KMU-Cobot-Coach erfolgte in enger Zusammenarbeit mit drei KMU aus der produzierenden Industrie in Baden-Württemberg. In jedem Unternehmen wurden auf Basis der dortigen personellen und organisatorischen Rahmenbedingungen potenziell für eine Cobot-Anwendung geeignete Anwendungsfälle identifiziert und deren Kosten-Nutzen-Verhältnisse bewertet. Für den jeweils am meisten geeigneten Anwendungsfall wurde und wird durch die Technologiepartner (Forschung und Industrie) eine Cobot-Anwendung geplant und unter kontrollierten Laborbedingungen sowie bei den KMU vor Ort umgesetzt, evaluiert und kontinuierlich verbessert. Die ausgewählten Anwendungsfälle sind hinsichtlich ihrer inhaltlichen Ausgestaltung vielfältig. Neben Unterstützung in der klassischen Montagetätigkeit, bei denen der Cobot Arbeitsschritte mit hohen Anforderungen an Kraft und/oder Präzision übernimmt, wurden auch Anwendungen geplant, bei denen hohe Ganzkörperkräfte und Zwangshaltungen erforderlich sind, beispielsweise bei einem kollaborativen Schleif- oder Lackiervorgang.

Arbeiter an einer Maschine
Einsatz eines Cobots zur Unterstützung beim Ausschleifen großer Bauteile - Anwendungsfall "Kollaboratives Schleifen", Entwicklung durch ArtiMinds in der Rolle als Technologiepartner. © ArtMinds GmbH

Das Konsortium des "ProBot"-Projekts besteht aus dem Institut für Arbeitswissenschaft und Betriebsorganisation (Karlsruher Institut für Technologie), dem Institut für Lernen und Innovation in Netzwerken (Hochschule Karlsruhe), der Forschungsgruppe Robotik und Autonome Systeme (Hochschule Karlsruhe), der ArtiMinds Robotics GmbH, der robodev GmbH, der Leutron GmbH, der Maus GmbH Modell- und Formenbau, der RAUCH Landmaschinenfabrik GmbH (bis 31.12.2020), der Schnorr GmbH, sowie den assoziierten Partnern des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft e.V. und des Landesnetzwerks Mechatronik Baden-Württemberg.

Das Programm "Zukunft der Arbeit"

Das Forschungs-und Entwicklungsprojekt "ProBot" wird im Rahmen des Programms "Zukunft der Arbeit" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert. Das Programm greift die Herausforderungen auf, die für Unternehmen (insbesondere KMU) und Menschen durch Strukturwandel, Technisierung und zunehmende Globalisierung in der Arbeitswelt entstehen, und lädt Unternehmen und Forschungseinrichtungen ein, mit innovativen Forschungsprojekten aktiv die Zukunft unserer Arbeitswelt mitzugestalten. Ziel des Programms ist es, technologische und soziale Innovationen gleichermaßen voranzubringen. Dazu sollen neue Modelle der Qualifizierung, der Gesundheitsprävention, der Arbeitsgestaltung und -organisation in und mit Unternehmen entwickelt und als Pilotprojekte in die betriebliche Praxis überführt werden. Dabei liegt der Fokus besonders auf branchenübergreifenden und interdisziplinären Projekten.

Weiterführende Informationen zum Programm "Zukunft der Arbeit" finden Sie auf dem ESF-Webportal sowie auf der Programmwebsite des BMBF.

Auszug aus dem ESF-Newsletter