Corona-Spezial: Herausforderungen für die ESF-Standorte "Perspektive Wiedereinstieg" in Zeiten der Pandemie

Datum
11.02.2021

Kontaktbeschränkungen, Hygieneregeln, Abstand halten: Wie hat sich der Beratungs- und Coachingalltag für Projektträger und Teilnehmende an den ESF-Standorten "Perspektive Wiedereinstieg - Potenziale erschließen (PWE)" verändert?

Die Programmumsetzer von "PWE" haben dazu Frau Angelika Böttcher, Fachbereichsleiterin Arbeitsmarkt/Projekte, VHS Göttingen Osterode gGmbH befragt.

Eine Frau
Angelika Böttcher, Fachbereichsleiterin Arbeitsmarkt/Projekte, VHS Göttingen Osterode gGmbH, Niedersachsen © privat

Seit 2015 unterstützt die VHS Göttingen Osterode im Rahmen des ESF-Programms "Perspektive Wiedereinstieg" Frauen nach einer familienbedingten Erwerbsunterbrechung dabei, den Wiedereinstieg in den Beruf erfolgreich zu gestalten. Das Angebot der Beratungsstelle für die Wiedereinsteigenden umfasst Coaching, kürzere Seminare sowie arbeitsmarktorientierte Qualifizierungen. Dabei arbeitet die VHS eng mit Partnern wie der Koordinierungsstelle "Frauenförderung in der privaten Wirtschaft", der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter zusammen. Über die konkrete Arbeit mit den Frauen hinaus berät das Projekt Arbeitgeber zu Fragen einer familienfreundlichen Personalpolitik.

perspektive-wiedereinstieg.de: Die Pandemie beherrscht unseren Alltag mittlerweile seit einigen Monaten, wie hat sich Ihr Alltag in der Begleitung von Wiedereinsteigenden verändert?

Angelika Böttcher: Unsere Beratungen und Coachings werden derzeit verstärkt digital durchgeführt und von den Wiedereinsteigenden auch gern genutzt. Während der ersten Kontakteinschränkungen war die fehlende Kinderbetreuung natürlich eine große Herausforderung. Entweder waren die Kinder beim Coaching digital mit anwesend oder das Coaching fand am späten Nachmittag statt, wenn der Partner bzw. die Partnerin die Kinderbetreuung übernehmen konnte.

Auch danach waren persönliche Kontakte nur unter Einhaltung strenger Hygieneregeln möglich. Der Beziehungsaufbau in Erstgesprächen bzw. während des Präsenzcoachings war durch die Distanz, die eingehalten werden musste, natürlich erschwert. Um die Distanz zu wahren, verlegten wir unsere Beratungen in einen großen Unterrichtsraum, was zum Verlust an Vertrautheit und zu einer eher ungemütlichen Gesprächsatmosphäre führte. Qualifizierungen, Infoveranstaltungen, Kurzseminare und Gruppencoachings in Präsenz fanden ausschließlich in kleinen Gruppen mit entsprechenden Abstandsregelungen und durch das häufige Lüften in oft ziemlich kalten Räumen statt.

Aber wo ein Ziel ist, ist auch ein Weg! Wir sind wesentlich flexibler geworden und ergänzen den Präsenzunterricht je nach Bedarf und Möglichkeit durch digitale Lernformen. Es gibt eine vermehrte Nachfrage und Anmeldung zum PWE@Online-Angebot (eine Online-Lernplattform). Das ist im Zuge der Digitalisierung eine wirklich erfreuliche Komponente.

Zu den eher schwierigen Aspekten dieser Zeit gehört das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Besonders Wiedereinsteigerinnen fühlten sich oft allein für Haushalt und Kinderbetreuung zuständig und standen dem Arbeitsmarkt somit nur eingeschränkt zur Verfügung. Die fehlende Planbarkeit bei der Kinderbetreuung und der erschwerte Zugang zu Betriebspraktika und Arbeitsstellen hatte schnell die Retraditionalisierung der Rollenbilder zur Folge und führte zu einer Verschiebung des beruflichen Wiedereinstiegs. Bei einigen Teilnehmenden führte die Corona-Pandemie auch zu Überforderungen durch Homeschooling, finanzielle Sorgen etc.. Aber ich hoffe, wir konnten unsere Teilnehmenden auch durch diese Phase der Krise gut begleiten.

perspektive-wiedereinstieg.de: Wie erleben Sie den Zulauf zu Ihrem Projekt? Steht der Wiedereinstieg an Ihrem Standort aktuell im Fokus oder erschwert die Corona-Krise den Frauen den Weg zurück in den Beruf?

Angelika Böttcher: Die Akquise-Situation am Standort ist eindeutig erschwert. Die Agentur für Arbeit Göttingen ist seit März nur telefonisch und online für Wiedereinsteigende zu erreichen. Viele der Arbeitsvermittler*innen wurden für die Bearbeitung von Kurzarbeitsgeldanträgen abgestellt. Weitere für die Akquise wichtige Einrichtungen wie Familienzentren waren während der Zeit der Kontaktbeschränkungen ebenfalls geschlossen.

Allerdings haben wir bei den Wiedereinsteigenden danach eine hohe Motivation zum Wiedereinstieg und zur Nutzung der Präsenz-Projektangebote erlebt. Das Bedürfnis nach Austausch mit anderen Teilnehmenden in vergleichbarer Lebenslage war und ist groß. Nach den Sommerferien war der Zulauf zum Projekt sehr positiv.

perspektive-wiedereinstieg.de: Welche Kompetenzen konnten Sie zu dieser Zeit bei den Wiedereinsteigenden besonders stärken und wo sehen Sie Unterstützungsbedarf, den es vorher vielleicht nicht gab?

Angelika Böttcher: Einen besonderen Schub hat die Arbeit mit digitalen Medien erhalten. Ich denke, wir alle haben unsere digitalen Kompetenzen erweitert (Arbeit mit Videokonferenzen und Online-Plattformen, u.a. für digitale Bewerbungsprozesse). Auch die Fähigkeit, auf Veränderungen zu reagieren, wurde gestärkt. Eigene Ressourcen wurden besser aktiviert, die Fähigkeit zur Stressreduzierung, Selbstfürsorge und -management erlernt, das Zeitmanagement - insbesondere im Homeoffice - neu definiert.

perspektive-wiedereinstieg.de: Was nehmen Sie als Bildungsträger aus dieser Krisen-Zeit mit in die Zukunft?

Angelika Böttcher: Online-Beratung und -Coaching wurden an der Volkshochschule (VHS) als festes Angebot etabliert. Des Weiteren nehmen wir die Erkenntnis mit, dass Wiedereinstiegs-Beratung auch unter suboptimalen Bedingungen (Maske, dicke Jacke, online) funktioniert. Die Präsenz-Beratung wird durch Online-Beratung allerdings nicht dauerhaft ersetzt. Hierzu möchte ich zum Abschluss unseres Gespräches ein Zitat einer unserer Teilnehmerinnen einfließen lassen:

Kerstin N.: "Super, dass das Gruppencoaching in Präsenz stattfinden konnte, gerade weil während der Corona-Zeit alle Kontakte reduziert sind. Der Austausch mit anderen Frauen in ähnlicher Situation war inspirierend und hilfreich. Digital kann zusätzlich gemacht werden, aber der persönliche Kontakt ist so wertvoll!"

perspektive-wiedereinstieg.de: Frau Böttcher, herzlichen Dank für das Gespräch!

Das ESF-Bundesprogramm "Perspektive Wiedereinstieg - Potenziale erschließen" (PWE)

Das Programm "Perspektive Wiedereinstieg - Potenziale erschließen" wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und den Europäischen Sozialfonds gefördert. Das Programm unterstützt bis zum Jahr 2021 Träger- und Trägerverbünde dabei, Frauen und Männern nach einer familienbedingtenErwerbsunterbrechung mit Aktivierungs-, Beratungs- und Qualifizierungsmaßnahmen die Rückkehr in das Berufsleben zu erleichtern.

Weitere Informationen zum Programm finden Sie auf dem ESF-Webportal sowie auf der Website des Programms.

Auszug aus dem ESF-Newsletter